Der Kirchenboten 10.08.2023: Sie zieht ihre Sachen durch

Schwester Ingeborg Wirz von den Ursulinen in Duderstadt.
„Sie lässt nicht locker, bis sie ein Problem gelöst hat“, sagt ihr Patenkind.

 

In den Hochzeiten der Klöster lebten und arbeiteten hier oft hunderte Männer oder Frauen als Ordensleute, heute kann man sie oft an einer Hand abzählen. Doch sie lassen sich dadurch nicht entmutigen. Wie sieht ihr Leben heute aus? Welche Aufgaben übernehmen sie? Was denken sie über Gott und die Welt? Zum Auftakt einer Reihe mit Beispielen aus unserem Bistum:
Schwester Ingeborg Wirz von den Ursulinen in Duderstadt.

Von Waldemar Lorenz
Sie ist immer engagiert, sie ist immer präsent und macht nie auf halber Strecke halt. Ob früher als Lehrerin in der Schule oder jetzt als Geschäftsführerin und „Eventmanagerin“ im Kloster – die 82-jährige Ordensschwester gibt immer alles. Der Unternehmensberater Clemens Krebs aus Berlin sagt über sie: „Sie lässt einfach solange nicht locker, bis ein Problem gelöst ist.“ Seine Mutter ist die fünf Minuten ältere Zwillingsschwester von Ingeborg Wirz. Und er ist das Patenkindder Ordensfrau. Vor dem Abitur stand er im Fach Mathematik mal grad bei einer Vier minus. „Sie hat mir Nachhilfe gegeben und es geschafft mich zu Höchstleis-
tungen anzuspornen, so dass ich im Abi Mathe mit einer Eins minus abschließen konnte.“ Sie sei halt eine ausgezeichnete Pädagogin und zudem sehr humorvolle Dame, sagt der 56-Jährige. Wenn man die Tätigkeiten ihres langen Lebens aneinanderreiht, könnte man sie getrost als Multitalent bezeichnen. Ingeborg Wirz wurde 1941, noch während des Krieges, in Berlin geboren. Die Familie hat man 1943 nach Goslar evakuiert, wo sie auch aufgewachsen ist und 1961 ihr Abitur gemacht hat.
Während der Schulzeit war sie als Austauschschülerin für zwölf Monate in den USA. Es gefiel ihr dort so gut, dass sie später, 1967, für ein weiteres Jahr in die USA zurückkehrte und in Hastings, Minnesota, als Mathematiklehrerin gearbeitet hat.
In den Orden der Ursulinen in Duderstadt ist sie im Alter von 29 Jahren eingetreten. Einen Ordensnamen hat sie damals nicht angenommen. Nach dem zweiten vatikanischen Konzil sei es freigestellt gewesen, ob man seinen Taufnamen behält oder sich einen Ordensnamen geben lässt. „Ich denke, mein Name hat eine starke Bedeutung. Da stecken der Gott Ingwio und die Burg drin. Und das heißt in Gott geborgen oder in Gott beschützt, und ich dachte, passender geht’s ja eigentlich nicht“, sagt sie und lacht dabei herzlich.
Insgesamt 33 Jahre lang, von 1970 bis 2003, hat Schwester Ingeborg an der St. Ursula-Schule in Hannover die, wie sie sagt, bei den Schülern „unbeliebten Fächer Mathematik und Chemie“ unterrichtet, davon 13 Jahre lang als Schulleiterin. Sogar eine Musikband hat sie an der Schule gegründet. Schwester Ingeborg selbst spielt Querflöte. Mit den Eltern wurde früher sehr viel Hausmusik gemacht.
An der Ursulaschule gibt es bis heute regelmäßig Schulmessen, jeden Donnerstag. „Damals fehlte modernere geistliche Musik, die ein bisschen fetziger ist, wenn ich das mal so sagen darf. Also habe ich damals die Band gegründet“, erzählt Schwester Ingeborg. Die Schüler mussten ihr immer von den Kirchentagen Lieder mitbringen. „Und damit haben wir unser eigenes Gesangbuch gemacht, ein schönes dickes Heft mit Liedern, die die Schüler gerne hatten. Aber das ist lange her“, sagt sie rückblickend. Und während der Zeit in Hannover hat sie mit einer kleinen Gruppe auch noch regelmäßig Strafgefangene in der dortigen Justizvollzugsanstalt besucht. Im Kloster wurde sie 2002, noch während der aktiven Lehrerzeit, zur Oberin gewählt.
Ende 2014 sei absehbar gewesen, dass der Ordensgemeinschaft der Nachwuchs ausbleiben wird. Bis zu dieser Zeit habe man das Kloster mit dem angeschlossenen Gästebereich noch in Eigenregie bewirtschaftet. Mit insgesamt 28 Gäs-
tezimmern und zwei Seminarräumen bietet das Kloster die Möglichkeit, am Klosterleben teilzunehmen, Seminare zu besuchen oder Tagungen auszurichten.
Um das alles zu erhalten und weiterzuführen, mussten neue Wege eingeschlagen werden. So habe man 2015 das Klos-ter in eine eigens dafür gegründete Stiftung umgewandelt. „In meiner Zeit als Oberin habe ich die Stiftung mit auf den Weg gebracht. Und so liegt es natürlich nahe, dass ich bis heute die Geschäftsführung mache.“ Dazu gehören auch die Abrechnungen für den Konvent und ihr Nebenjob als „Eventmanagerin“. Denn Schwester Ingeborg ist es gelungen regelmäßige Konzerte zu etablieren. Bei einem Rundgang durch die zum Kloster gehörende Liebfrauenkirche erläutert sie, was es damit auf sich hat: „Der Platz hier vor dem Altar ist praktisch die Bühne,“ erklärt sie. „Wir bieten überwiegend jungen Künstlern die Möglichkeit, hier in der Kirche aufzutreten.“ Von Barock-Gitarre über Marimbaphon bis hin zur Panflöte sei alles schon dagewesen, immer am letzten Freitag im Monat. Die Kirche ist dann „mit bis zu 80 Besuchern gut gefüllt.“ Dafür sorgt sie selbst durch eine professionelle Pressearbeit. Die Künstler suche sie deutschlandweit aus, wobei Qualität und Repertoire bei der Auswahl eine große Rolle spielen. Die meisten bewerben sich schon von selbst bei ihr. „Ich habe für das nächste Jahr nur noch drei Termine frei. Dieses Jahr ist alles voll, es läuft ganz fantastisch.“
Als ob das nicht schon alles genug wäre, vertritt Schwester Ingeborg das Klos-ter in der Föderation deutschsprachiger Ursulinen und war für sieben Jahre deren Präsidentin.
Natürlich ist bei all diesen Aktivitäten auch mal ein Urlaub fällig. Dieses Jahr, im Juli, war sie mit einer Mitschwester an der Müritz. „Wir haben uns eine Ferienwohnung gemietet, da waren wir unabhängig und es kostet nicht so viel.“ Neben der Besichtigung von Kirchen und Schlössern gehört für die Ordensfrau auch das tägliche Kochen zu einem Urlaubstag. „In den Ferien mache ich gerne das, was ich sonst nicht mache.“ Im Kloster setze sie sich ja an den gedeckten Tisch, auch wenn sie selbst gerne kocht. „Ich sag immer, das ist angewandte Chemie.“ Am Nachmittag ist dann gemütliches Kaffeetrinken angesagt, anschließend wird gestickt und gelesen. „Vor allem Biografien lese ich gerne“, gibt sie Auskunft über ihre Lieblingslektüre. Und natürlich nimmt sie sich auch Zeit für ihre Lieblingsmusik. Bach und Händel gehören in erster Linie dazu. „Das ist Musik mit unglaublicher Struktur und Vielfalt“, sagt Schwester Ingeborg. Und sie selbst geht im Alter von 82 Jahren immer noch unglaublich strukturiert und mit vielfältigem Interesse durchs Leben.